Andere über Beckett

Ich will keine philosophischen Erkenntnisse, keine Traktate, Dogmen, Glaubenssätze, Auswege, Wahrheiten, Antworten, nichts aus dem Sonderangebotskasten. Er ist der mutigste und unbarmherzigste Schriftsteller, den es zur Zeit gibt, und je mehr er meine Nase im Dreck wetzt, um so dankbarer bin ich ihm. (…) Er bringt etwas Schönes hervor. Sein Werk ist schön.

Harold Pinter: Beckett at Sixty, London 1967, p.86

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Er stieg erneut vom Stuhl, schaltete das Licht und die Schreibtischlampe ein und richtete sie auf die Karten am Boden, bevor er wieder hinaufkletterte. Doch der Lichtkegel der Schreibtischlampe musste neu justiert werden.

Also noch einmal runtersteigen, die Lampe drehen und wieder hinaufsteigen. Als er oben war, klingelte das Telefon.

Fluchend und lachend stieg er wieder herunter. Er kam sich vor wie in einem Stück von Samuel Beckett.

Andrea Camilleri: Das Spiel des Poeten. Köln 2015, S. 68

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Becketts Prosa ist schön, weil sie von der Sorge erfüllt ist, von der Prosa selbst nichts zu verlangen, als sich so nah wie möglich an das zu halten, woraus sich letztlich jede Existenz zusammensetzt: an die leere Bühne des Seins, an das Halbdunkel, in dem alles sich abspielt, das aber selbst nichts spielt; und an die Ereignisse, die es plötzlich bevölkern und die am anonymen Ort wie Sterne sind, wie Löcher in der fernen Leinwand des Welttheaters.

Die lange Geduld des Lebens und der Prosa gilt nur der unsterblichen Schaffung dessen, was in doppeltem Sinn, in der Schönheit die Möglichkeit eines Zieles fixiert: Unterbrechung des Halbdunkels, verbundene Finalitäten der Existenz und des Sagens.

Alain Badiou

in “Beckett – Das Begehren ist nicht totzukriegen”, diaphanes, 2006

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Becketts Geschöpfe, von der Sprache auf dem Streckbett des Schweigens gespalten, öffnen sich weniger dem Da-Sein als dem Sein des Problematischen.

Gilles Deleuze

in “Logique du sens”, Ed. de Minuit, 1969

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Becketts letzte Prosatexte wirken wie Meditationen, die aus jahrzehntelangen Exerzitien herzurühren scheinen. Sie beschwören (…) den Klang der Wörter, unterstützt vom Sprachrhythmus.

Ria Endres

in “Am Anfang war die Stimme”, Frankfurt am Main, 1991

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Ich mag Brecht nicht, weil er didaktisch und ideologisch ist (…) Er ist nicht schlicht und einfach, er ist ein Vereinfacher (…) Beckett ist essentiell tragisch. Tragisch, weil bei ihm tatsächlich das Ganze der condition humaine ins Spiel kommt und nicht der Mensch in dieser oder jener Gesellschaft (…). Das Geschichts- und Menschenbild, das dieser Autor gibt, ist komplexer, gründlicher fundiert.

Eugene Ionesco

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Beckett scheint in seinen stärksten Momenten die Macht zu besitzen, Bilder, Beziehungen, einen Ablauf auf der Bühne aus seinen tiefsten Erfahrungen heraus zu entwerfen, die – blitzartig, genial – entstehen, in sich vollkommen, nichts erklären, nichts vorgeben, symbolisch sind ohne Symbolismus. Becketts Symbole sind stark, gerade weil wir sie nicht ganz erfassen können: sie sind keine Wegweiser, sie sind keine Leitfäden oder Vorlagen – sie sind im wahrsten Sinne des Wortes Schöpfungen…

Peter Brook

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Beckett verweigert dem Leser (…) die logisch-rationale Orientierung und überantwortet ihn derselben Ohnmacht, der seine Figuren unterliegen.

Gaby Hartel/Carola Veit

in “Samuel Beckett”, Suhrkamp BasisBiographie 13, 2006 (Zitat mit Bezug auf “Wie es ist”)

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Eine Beckett-Lektüre bleibt ein literarisches Purgatorium. Fast alles Gewohnte wird in ihm ausgeglüht. Aber der Anblick des leuchtenden Feuerkerns ist von erschreckender Schönheit.

Karl Krolow

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Becketts Texte vergegenwärtigen mit vielen Mitteln die Realität des Menschenlebens, das dem Prozess des Fallens unterliegt und das sich in dem Sog zu “dem Nichts” hin vollzieht (…). Beckett hat seine Texte mit wacher Aufmerksamkeit auf jedes Detail komponiert. Er erweist sich durch die kontrapunktische Gliederung seiner Szenen und Motive als ein Meister der ästhetischen Formgebung.(…).

Dieter Henrich

in “Sein oder Nichts” (Kap. 15: Nichts und Form in Beckett), C.H.Beck, 2016

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Ich finde seine Werke hypnotisierend und äußerst inspirierend – die Vielfalt von Bedeutungen der Stille, die quasi Wiederholungen, die immer zum selben Ausgangspunkt wiederkehrenden Wortlabyrinthe. Und dann gibt es eine Art von Stille, die Ungewissheit, das Warten – Becketts Unwort, das Nichtgesagte, das Schweben zwischen den Worten.

Rebecca Saunders (Komponistin)

aus DIE ZEIT Nr. 37/2017, Artikel von Volker Hagedorn

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